Frauen mit Regenbogenflagge als Bemalung- Rechte der LGBTQI+ Community
Foto: Anna Shvets via pexels.com
Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es um schwierige Gefühle und persönliche Erfahrungen, die bei manchen Leser*innen unangenehme Erinnerungen oder Flashbacks auslösen können. Der Text kann dich triggern, da er sich mit Themen wie geistiger Gesundheit, Belästigung, Diskriminierungserfahrungen, Suizid, Gewalt oder Ähnlichem auseinandersetzt. Bei manchen Menschen können diese Themen negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam oder lies diesen Beitrag lieber nicht, wenn das bei dir der Fall sein könnte.
Noch immer können queere Menschen ihre sexuelle Orientierung und Identität nicht frei ausleben. Der “Tag des Coming-outs” am 11. Oktober ist deshalb ein guter Anlass, sich mit der Lebensrealität von Menschen der LGBTQI+ Community weltweit zu befassen. Doch was ist eigentlich ein “Coming-out”, wofür steht LGBTQI+ und was versteht man unter “queer”? Erfahre jetzt, was die wichtigsten Begriffe der Community bedeuten und wie du helfen kannst, Vielfalt noch sichtbarer zu machen.
Was ist ein “Coming-out”?
Im Generellen bedeutet “Coming-out“ (Englisch) herauskommen, etwas öffentlich machen. In Bezug auf die sexuelle Orientierung heißt das für homosexuelle Menschen ihre gleichgeschlechtliche Liebe kundzutun. Das ist häufig nötig, weil die meisten von uns noch in einer Gesellschaft leben, in der die soziale Erwartung herrscht, sich als männlich oder weiblich zu definieren und eine Beziehung mit dem anderen Geschlecht einzugehen.
Nichtsdestotrotz müssen sich homosexuelle genauso wenig outen wie heterosexuelle Menschen. Es ist nicht verwerflich, die sexuelle Orientierung geheim zu halten, um sich selber zu schützen.
Was ist der Unterschied zwischen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität?
Abgesehen von der sexuellen Orientierung gibt es noch das “Coming-out der Geschlechtsidentität”. Die Geschlechtsidentität ist nicht das biologische Geschlecht oder das Geburtsgeschlecht. Das biologische Geschlecht ist das Geschlecht, in das du hinein geboren wirst, während deine Geschlechtsidentität, das Geschlecht ist, zu dem du dich zugehörig fühlst.
Transgender sind Menschen, die sich ihrem biologischen Geschlecht teilweise oder gar nicht zugehörig fühlen und deswegen eine andere Geschlechtsidentität haben. Also, wenn beispielsweise ein biologischer Junge sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt. Das Gegenteil von Trans sind Cis-Menschen.
Gerade für heterosexuelle Cis-Menschen ist es gegenüber der LGBTQI+-Community wichtig zu verstehen, dass es weitaus mehr als zwei Geschlechter gibt. Das und vieles mehr wird deutlich, wenn du einen Blick auf das Informations- und Beratungsportal von „du-bist-du“ wirfst. Dort kannst du dir persönliche Coming-out Geschichten von Beraterinnen für romantische und sexuelle Orientierung durchlesen.
Alle Menschen, die (wie die Beraterinnen von „du-bist-du“) entweder nicht das andere Geschlecht lieben oder sich ihrem biologischen Geschlecht nicht zugehörig fühlen, finden sich unter dem Begriff LGBTQI+ wieder.
Queere Begriffe: Die LGBTQI+ Community verstehen
Was heißt eigentlich “queer” und was bedeutet LGBTQI+?
LGBTQI+ ist eine Abkürzung für Lesbian, Gay, Bi, Trans, Queer und Intersex. Das + steht dafür, dass die Aufzählung nicht abgeschlossen ist. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet das lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer und intersexuell.
Zum Verständnis: Queer ist ein Sammelbegriff für nicht heterosexuelle und Menschen, die sich nicht oder teilweise ihrem Geburtsgeschlecht zugehörig fühlen. Intersexuelle Menschen lassen sich nicht eindeutig in das System aus zwei Geschlechtern einordnen, fühlen sich also weder als nur männliche oder nur weibliche Person.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass du Menschen aus der LGBTQI+ Community kennst, ohne es zu wissen. Vielleicht hatten sie ganz allgemein oder dir gegenüber noch kein “Coming out”.
Das kleine ABC rund um weitere Begriffe der queeren Bewegung
Beginnen wir mit dem Buchstaben „A“. Das A kann beispielsweise für asexuell stehen. Wenn du asexuell bist, verspürst du keine bis eine geringe sexuelle Anziehung. „B“ kann für binäres Geschlecht stehen. Das heißt, dass Menschen immer noch annehmen, es gebe nur zwei Geschlechter. „C“ steht beispielsweise für cis-/cisgeschlechtlich. Cis Menschen haben eine geschlechtliche Identität, die zu ihrem zugeschriebenen Geburtsgeschlecht passt. Im Übrigen liegt der Ursprung im lateinischen (auf dieser Seite, diesseits, binnen, innerhalb), das Gegenteil von trans- (auf der anderen Seite, über-, hinüber-). Mehr Informationen findest du unter Gender, geschlechtliche Identität.
Eine gute Zusammenfassung von queeren Begriffen, Flaggen und Symbolen findest du in der online Anlaufstelle queer-Lexikon oder unter das kleine ABC LGBT*IQ.
Vielfalt in der und für die LGBTQI+ Community sichtbar machen
Vielleicht kennst du aber schon eine dieser drei Persönlichkeiten: Ludovic-Mohamed Zahed, Barry Manilow und Audre Lorde.
Der Franzose Ludovic Mohammed Zahed ist ein schwuler Imam, der die erste gay freundliche Moschee in Paris 2012 eröffnete. Der Sänger Barry Mailow ist jüdisch und schwul, während die Dichterin Audre Lorde schwarz und lesbisch war. Was haben diese Menschen alle gemeinsam? Keiner von Ihnen ist weiß und christlich geprägt. Das ist deswegen von essenzieller Bedeutung, weil in der LGBTQI+ Community selbst auch Vielfalt herrscht, die für außenstehende nicht immer sichtbar sein mag. Zur LGBTQI+ Community gehören: Black, Indigenous, People of Color, Muslim*innen, jüdische Menschen und viele mehr.
Um die Vielfalt in der LGBTQI+ Community sichtbar zu machen, müssen auch nicht weiße und christlich geprägte Menschen in Büchern und Filmen repräsentiert werden.
Die fehlende Repräsentation von nicht weißen Menschen hat unter anderem zur Folge, dass noch heute Minderheiten in der LGBTQI+ Community für die Akzeptanz und Gleichstellung mit anderen queeren Personen kämpfen. Zur selben Zeit fordert die LGBTQI+ Community als Ganze die Gleichstellung in der Gesellschaft mit heterosexuellen und cis Menschen.
Um auch queeren Menschen mit Rassismuserfahrungen in der Community zu helfen, hat das Regenbogenportal- vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend- Anlaufstellen in Deutschland zusammengestellt. Eine spezielle Beratung für LGBTQI+ Menschen mit Rassismuserfahrungen unter anderem zum Thema Coming Out findest du hier.
Lebenssituation der LGBTQI+ Community in Deutschland
Die Ziele der queeren Community lassen sich weltweit unter den Wörtern „Gleichstellung“ und „Akzeptanz“ in der Gesellschaft zusammenfassen. Wie viel Arbeit noch vor uns liegt, bis die Ziele zumindest in Deutschland erreicht werden, zeigt sich in der Lebensrealität von der LGBTQI+ Gemeinschaft.
In Deutschland ist die gleichgeschlechtliche Ehe seit 2017 erlaubt. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass homosexuelle Paare die gleichen Rechte haben wie heterosexuelle Paare. Das fängt schon beim Thema Adoption an. Gleichgeschlechtliche Paare haben auch das Adoptionsrecht. Allerdings wird nur ein Mann oder eine Frau als Elternteil des Kindes anerkannt. Bei lesbischen Paaren führt das dazu, dass eine Mutter sich durch eine Stiefkindadoption über Umwege anerkennen lassen muss.
Die Diskriminierung von queeren Menschen ist in allen Lebensbereichen vorhanden. So auch am Arbeitsplatz. Zum Beispiel sollen 30 Prozent der Homosexuellen im Arbeitsleben diskriminiert werden. Das geht aus einer Studie aus dem Jahr 2020 hervor.
Ein weiterer bitterer Teil der Realität ist, dass schwule und lesbische Jugendliche ein um dreifach höheres Suizidrisiko haben als gleichaltrige heterosexuelle Jugendliche. Bei transgender Jugendlichen ist das Suizidrisiko sogar um das Sechsfache höher.
Genaueres zur Studie findest du hier.
CSD: Was steckt hinter dem “Christopher Street Day”?
Eine Plattform, um auf die Diskriminierung von LGBTQI+ Menschen aufmerksam zu machen, ist der jährliche Christopher Street Day. Davon hast du bestimmt schon im Fernsehen gehört oder bist schon mal an einem Stand vorbeigelaufen. Am Christopher Street Day gehen queere Menschen und ihre Allies, Verbündeten, auf die Straße.
Der Christopher Street, auch bekannt als Gay Pride, kommt ursprünglich aus New York. 1969 haben sich LGBTQI+ Menschen zum ersten Mal gegen Polizeirazzien in Bars von queeren Personen gewaltsam gewehrt. Der Ortsbeginn der Auseinandersetzung war das „Stonewall Inn“, eine Schwulenbar in der Christopher Street. Tagelang fanden Straßenschlachten statt. Heute finden weltweit jährlich Veranstaltungen statt.
In Wiesbaden ist man schon länger der Meinung, es sei an der Zeit, dass die LSBT*IQ Community aufsteht, rausgeht und sich mutig, entschlossen und leidenschaftlich präsentiert. Die Organisatoren des CSD Wiesbaden informieren deshalb auch zum Thema Coming-out. So machen online auch auf ein spannendes Angebot aufmerksam: „Informationen, zum Beispiel Film- und Buchempfehlungen, sowie eine Karte mit vielen nützlichen Adressen, bei denen Unterstützung zum Thema Coming Out angeboten wird findest du auf MeinComingOut.de„.
MeinComingOut.de ist ein Angebot von ICH WEISS WAS ICH TU, einer Kampagne der Deutschen Aidshilfe.
Am Christopher Street Day zollt die queere Community – gerne auch gemeinsam mit nicht-queeren Allies – den Menschen von damals Respekt für ihren Mut. Dank ihnen ist es heute in vielen westlichen Ländern möglich, Artikel wie diesen zu schreiben. Andererseits ist der Pride eine Veranstaltung, um zu mobilisieren, Menschen von der Gleichberechtigung der LGBTQI+ Community zu überzeugen. Es ist wichtig dabei Allies, also sogenannte Verbündete, zu haben, die sich öffentliche für die Rechte von queeren Menschen aussprechen. Allies nutzen ihre Privilegien, um anderen dieselben Chancen im Leben zu ermöglichen.
Was einen Ally genau ausmacht, ist nicht definiert. Aber dass du dir den Artikel zum Coming Out Day bis hier hin durchgelesen hast, ist schon mal ein gutes Zeichen. Informier dich weiter und Teile dein Wissen mit deinem Bekanntenkreis oder unterstütze den CSD und komme mit der LGBTQI+ Community in Kontakt. In deinem Alltag kannst du in deiner Umgebung eine queere freundliche Zone schaffen, indem du zum Beispiel ein Mädchen fragst, ob sie einen Freund oder eine Freundin hat, vorausgesetzt die Person beschreibt sich als männlich oder weiblich. Damit könntest du das Coming-out erleichtern. Beim Kennenlernen kannst du in Erfahrung bringen, mit welchen Pronomen die Person angesprochen werden möchte.
Der CSD ist der perfekte Ort, sich für die Gleichberechtigung der LGBTQI+ Community einzusetzen. Ein Ally hat eine große Auswahl an Möglichkeiten, um den Prozess der Akzeptanz in der Gesellschaft schneller mit voranzutreiben.
Das bedeutet der “Coming Out Day” für unsere Gesellschaft
Am Coming-out Day ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass das Coming-out für die LGBTQI+ Community ein lebenslanger Wegbegleiter bzw. Prozess ist. Sobald queere Menschen neue Personen kennenlernen, sei es eine ärztliche Fachkraft, eine vorgesetzte Person oder die Bedienung, können sie sich immer wieder entscheiden, ob sie diesen Teil ihres Lebens anvertrauen wollen. Was möglicherweise ständig im Hinterkopf bleibt, ist die Angst, auf Ablehnung zu stoßen.
An Tagen wie dem Coming-out Day sollten wir uns daran erinnern, dass nicht nur in westlichen Ländern eine LGBTQI+ Community existiert. Queere Menschen existieren in jedem Land. Ein Großteil hat jedoch nicht die Möglichkeit, seine sexuelle Orientierung und Identität frei auszuleben. Genau deswegen ist der Coming-out Day nicht nur ein Tag des Mutes, sich für die Gleichberechtigung aller Menschen einzusetzen, sondern auch ein Tag der Hoffnung. Happy Coming-out Day!
Hilfe bei Suizidgedanken: Solltest du selbst von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suche dir bitte umgehend Hilfe. Bei der anonymen Telefonseelsorge findest du rund um die Uhr Ansprechpartner. Telefonnummern der Telefonseelsorge: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222 oder unter www.telefonseelsorge.de.
M.K.